Eindrücke einer Pilgerreise ins Heilige Land

Anfang August reiste fr. Justinus Grebowicz OP für zwei Wochen ins Heilige Land. Damit ging für ihn ein Jugendtraum in Erfüllung. Hier berichtet er von den Eindrücken, die die verschiedenen Stationen seiner Reise in ihm hinterließen:

„Nû alrêst lebe ich mir werde, sît mîn sündic ouge siht daz hêre lant und och die erde, dem man vil der êren giht. Mirst geschehen, des ich ie bat, ich bin komen an die stat, dâ got menschlîchen trat.“ (Nun erst lebe ich mir würdig, weil mein sündiges Auge das hehre Land und auch die Erde sieht, die man so vieler Ehren rühmt. Nun ist geschehen, worum ich immer bat: ich bin an den Ort gekommen, den Gott als Mensch betrat.)

Diese Zeilen stammen aus dem sogenannten „Palästinalied“, das von Walter von der Vogelweide (gest. um 1230) gedichtet wurde. Die Worte liegen mir schon seit meinen Jugendjahren in den Ohren. Seit dieser Zeit hegte ich den großen Wunsch, einmal ins Heilige Land zu reisen und eben jene Orte zu besuchen, an denen Jesus Christus – wahrer Gott und wahrer Mensch – gelebt und gewirkt hat. Viele Wunder und große Dinge sind dort geschehen und unzählige Menschen, über alle Jahrhunderte hinweg, sind zu diesen heiligen Stätten gepilgert. Nun konnte auch ich mich zu ihnen zählen, denn Anfang August habe ich die Möglichkeit bekommen, für knapp zwei Wochen, nach Israel zu reisen!

Nachdem ich mit dem Flugzeug in Tel Aviv angekommen bin, fuhr ich gleich mit dem Zug weiter nach Haifa, wo ich die erste Woche verbrachte. Die heutige Großstadt Haifa gibt es erst seit dem 18. Jahrhundert, doch kam Jesus der Küstenregion nahe, als er die Syrophönizierin traf (vgl. Mk 7,24-30). Mir war Haifa der Stützpunkt für meine zweite „Mission“: die Spuren der Kreuzfahrer zu entdecken. Auch wenn manches an den Kreuzfahrern erschreckend und schlimm war, so hat mich dieses Thema schon immer fasziniert. Von Haifa aus habe ich also die Kreuzfahrerstätten Akkon und Tiberias besucht. Im Jahre 1291 wurde Akkon als letzte Stadt der Kreuzfahrer im Heiligen Land erobert und noch heute erinnern einige Stellen an diese belebte Geschichte. Es war beeindruckend, die alte Hospitaliterkommende („The Knight´s Halls“) zu besuchen, den Templertunnel zu durchqueren und auf den Stadtmauern zu wandeln. Tiberias hingegen war eher enttäuschend. Bis auf eine alte Zitadelle und die Franziskanerkirche gab es für mich nichts zu sehen. Und ausgerechnet diese beiden Orte waren nicht zugänglich. Trotzdem war in Tiberias irgendetwas anders als sonst. Der Blick auf den Wetterbericht hat dann für Klarheit gesorgt: Anstatt der gewöhnlichen 35 Grad war es 44 Grad heiß! Damit fiel der Besuch der Hörner von Hattin, die sich in der Nähe von Tiberias befinden, leider aus. Dort erlitten die Kreuzfahrer im Juli 1187 eine vernichtende Niederlage, aber manche Dummheiten muss man nicht wiederholen.

Auf einmal so vertraut

Von Haifa gelangt man auch gut nach Nazareth und Kafarnaum. Dies waren nun Orte, die im Leben Jesu eine wichtige Rolle spielten. Es war wirklich ein Segen, pünktlich zum Angelusgebet in der Verkündigungskirche in Nazareth gewesen zu sein. Dort war der Engel Gabriel der Jungfrau Maria erschienen und kündigte die Geburt Jesu an. In Nazareth erklang also vor mehr als 2000 Jahren der „Angelus“ zum ersten Mal, und endlich hörte ich wieder das Zwölfuhrläuten. Die Franziskaner zogen unter lateinischem Gesang in die Grotte der Verkündigung ein und hielten ihre Gebete. Alles war mir auf einmal so vertraut und ich konnte nicht anders, als mit ganzem Herzen und lauter Stimme mitzusingen und mitzubeten.

Die Zeit schien stillzustehen   

Ein Höhepunkt war Kafarnaum. Es ist ein ruhiger Ort, recht abgelegen, aber mit schönem Blick auf den See Genezareth. Einfach am Ufer des Sees zu sitzen, wo Jesus die ersten Jünger berufen und so viele andere Dinge gewirkt hat, war sehr berührend und die Zeit schien ein wenig stillzustehen. Danach ging ich zum Haus des Petrus, das schon in frühchristlicher Zeit in einen Gottesdienstraum verwandelt worden war, und zu den Resten der antiken Synagoge, die auf den Grundmauern jenes Gebäudes stehen, wo Jesus lehrte. 

Blick auf den See Genezareth.

Nun war ich bestens vorbereitet, um das Ziel meiner Reise anzutreten: Jerusalem. Die Freude war doppelt groß, denn in Jerusalem war ich bei den Brüdern in der École Biblique untergebracht. Es hat zwar gewisse Vorteile, wenn man allein reist, aber in Gemeinschaft ist es doch schöner. In der École habe ich fr. Robert Krishna OP aus Australien kennengelernt, der noch am Tag meiner Ankunft eine kurze Führung durch die Stadt gab. Auch wenn ich schneller als gedacht zu den heiligen Stätten kam (vielleicht ein wenig zu schnell), so hatte ich schonmal einen guten Überblick bekommen.

Frater Justinus in Jerusalem, hier auf dem Ölberg; im Hintergrund die Jerusalemer Altstadt mit der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg.

Die Nacht in der Grabeskirche

Es ist unmöglich, über alles zu berichten, was ich in einer Woche in Jerusalem erlebt habe. Hier nur ein besonders prägendes Erlebnis: Die Nacht in der Grabeskirche. Die Kirche ist nur durch einen einzigen Eingang bzw. Ausgang zugänglich und dieser wird um 21 Uhr gesperrt. Der Schlüssel liegt in der Obhut einer muslimischen Familie, die diesen Dienst seit der Zeit von Saladin ausübt. Wenn man vor 21 Uhr in der Kirche verharrt, dann kann man diese alte Zeremonie beobachten. Zusammen mit einer Gruppe aus Polen war ich der Einzige, der diese Nacht in der Kirche verbrachte. Ich habe mich entschlossen, zunächst auf den Kalvarienberg zu gehen, der von der Grabeskirche umbaut ist, und dort einige Zeit im Gebet zu verbringen.

Kleines Foto: Mittelalterliche Pilgerkreuze in der Grabeskirche.

Es herrschte eine herrliche Stille. Einzig ein paar griechische Geistliche machten sich auf, um die Kirche zu reinigen. Nach einiger Zeit fühlte ich mich bereit, um an das Grab Jesu zu gehen, denn damit war endlich der Moment gekommen, an dem ich an das Ziel meiner Pilgereise gelangte. Auch wenn in den vergangenen Tagen vieles recht schnell ging, so wollte ich mich auf diesen Augenblick gut und in Ruhe vorbereiten. Da stand ich nun also an dem Ort, an dem Christus begraben wurde und auferstand. Es war kaum zu fassen, und nur der Glaube kann begreifen, was hier geschah. Ich danke Jesus Christus für alles, was er für uns getan hat!

Blick auf den Berg der Versuchung

Von Jerusalem aus habe ich Bethlehem besucht und zusammen mit einer Gruppe aus der École sind wir nach Jericho gefahren. Bevor wir jedoch nach Jericho kamen, haben wir einen Abstecher zum Jordan gemacht, und zwar an die Stelle, wo Jesus selbst von Johannes dem Täufer getauft wurde. In Jericho haben wir einen Blick auf den Berg der Versuchung geworfen, also dem Ort, an dem Jesus nach seiner Taufe vom Geist in die Wüste geführt wurde, 40 Tage fastete und der Versuchungen durch den Teufel standhielt.

Am Tag meiner Rückreise nach Wien ging ich in der Frühe den Kreuzweg Jesu. Jerusalem ist zu diesem Zeitpunkt schön ruhig und kühl. Als ich wieder in der Grabeskirche angekommen war, konnte ich an der letzten Station der „Via dolorosa“ (14. Jesus wird ins Grab gelegt), also am Grab Jesu, meinen Weg im Heiligen Land mit einer feierlichen Messe abschließen.

Deo gratias!